Bevor Es Los Geht

 

A long way down

Ein gellender Schrei weckt mich aus meinem Döszustand und wird von der knackig kühlen Klimaanlagenluft bis zum letzten Sitz des Fliegers gepustet: Die Drama-Queen ist aufgewacht. Während ich versuche, ihre wild um sich schlagenden Arme zu bändigen, den auf meinem Schoß schlafenden Babybruder davor zu bewahren, ebenfalls aufzuwachen und meine Schweißausbrüche im Zaum zu halten, dotzt Heiko schlaftrunken mit dem Kopf gegen die Gepäckablage und wühlt hektisch in der eigens gepackten „Kids-Versorgungstasche“.

 

Das ist einer der wiederkehrenden Albträume die ich habe, seit wir unsere Elternzeitreise nach Neuseeland gebucht haben. Eine Reise, die einen der längsten Flüge der Welt mit sich bringt: zwei Mal zwölf Stunden - Autsch! Aber obwohl ich weiß, dass der Albtraum jederzeit Wirklichkeit werden kann, trete ich dem Ganzen mit der Kiwi-Mentalität entgegen, auf die ich mich schon ganz besonders freue: No worries mate!, sage ich mir immer wieder.


Warum Aotearoa?

 

Ich habe über drei Jahre lang die Pressearbeit für Tourism New Zealand gemacht und durfte genau einmal dort hinreisen: In einem sogenannten „Megafamil“ erkundete ich 2009 mit rund 200 Reiseagenten und Journalisten in zehn Tagen das Land. Infiziert mit dem Neuseeland-Fieber redete ich mehrere Jahre auf Heiko ein, schleppte ihn auf Konzerte neuseeländischer Bands, testete mit ihm neuseeländischen Flat White-Kaffee und das Nationaldessert Pavlova in London, jubelte ihm Bücher von Lloyd Jones und DVDs der Comedy-Serie „Flight of the Conchords“ unter oder ließ ihn in Vorträgen beisitzen, die ich über das „Land der langen weißen Wolke“ hielt. Inzwischen kann er den Nasenkuss der Maori, den sogenannten Hongi, liest regelmäßig die zum Prusten komische Neuseeland-Kolumne von Anke Richter in der taz und summt mir, wenn ich traurig gucke, „When I see you smile“ vor, ein Lied der Singer-Songwriterin Bic Runga. Ich musste also nur noch der Dinge harren, die da kamen. DER passende Moment kam mit der Geburt von Mika und einem Monat gemeinsamer Elternzeit, die sich perfekt mit den Weihnachtsferien zusammenlegen ließ. Sechs Wochen geschenkte Zeit – Zeit für eine Reise ans andere Ende der Welt.

 

Neuseeland für Faultiere

 

„Milford Sound? Jaaa, das MÜSSEN wir machen.“ Aber was, wenn das Baby vor lauter Frust, dass es auf dem Schiff nicht krabbeln kann, einen halbtägigen Weinkrampf bekommt oder unsere kleine Marla die Wasserfälle nicht einmal eine Minute lang so spannend findet wie wir? Dann hängen wir auf dem Boot fest und haben den Salat. So sahen unsere Diskussionen aus, als wir an die Routenplanung gingen. Denn wir sind nun nicht mehr die abenteuerlustigen Backpacker von früher - wir machen so eine Art gebremsten Outdoor-Urlaub.

 

Dass es sich lohnt, für eine derartige Slow-Travel-Variante ans andere Ende der Welt zu reisen, weiß ich von meiner damaligen Kostprobe im Job. Der Rest der Familie wird es spätestens dann merken, wenn wir in unserer ersten Urlaubshütte sitzen, einem schnuckligen Cottage in Oamaru, und abends den Pinguinen „Gute Nacht“ sagen gehen (wirklich!).

 

Morgen geht es los, erst einmal nach Singapur. Wir sind aufgeregt, aber vor allem freuen wir uns auf so viel Zeit zusammen unterwegs!

 

P.S. Konkrete Tipps zur Reisevorbereitung und zu unserer Packliste findet ihr auf reiseratte.de, dem Blog der großartigen Journalistin Geraldine Friedrich, die mir eine Gastkolumne eingerichtet hat.

 

 

 

Kommentare: 1 (Diskussion geschlossen)
  • #1

    Harry (Samstag, 27 Dezember 2014 10:21)

    Das muss man gelesen haben !
    Mit einem wunderbaren Unterhaltungsstil schildert Eileen wie man eine Reise plant, vorbereitet und dann
    auch durchfuehrt.
    Die Schilderungen der einzelnen Reiseabschnitte lassen den Leser teilhaben an dieser,an Eindruecken nicht
    zu ueberbietenden Unternehmung.
    Man erlebt selber die kleinen und grossen Geschehnisse und ist gespannt auf die folgenden Etappen.
    Danke fuer den bisherigen Teil und viel Glueck fuer die folgenden Erlebnisse.